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Der römische Philosoph Seneca sagte einst, die Natur habe es so eingerichtet, dass für den Menschen alles Lebensnotwendige leicht zu beschaffen sei. Eine recht idealisierte Vorstellung, bedenkt man die Zustände, die damals wie heute in ärmeren Gebieten herrschen. Doch was waren eigentlich für ihn lebensnotwendige Güter und was sind sie heute? Was braucht der Mensch wirklich?
Einen guten Hinweis darauf, was heute als lebensnotwendig gilt, liefern uns die Dinge, von denen gesetzlich vorgeschrieben ist, dass sie nicht gepfändet werden dürfen. Das entsprechende Gesetz selbst ist ein nur wenig aktualisiertes Relikt aus dem 19. Jahrhundert, nach dem Kühlschrank und Waschmaschine, aber auch Kühe, Schweine und Ziegen und neuerdings Fernseher und Computer zu den Gegenständen gehören, die einem Haushalt nicht genommen werden dürfen. Zweifellos eine Entfernung von den Vorstellungen, die Seneca gehabt haben dürfte, mussten im alten Rom Schuldner schließlich noch im schlimmsten Fall mit dem Verkauf in die Sklaverei und damit dem Verlust der Freiheit rechnen. Doch selbst ein Sklave hatte in der Antike noch eine Unterkunft und bekam Nahrung, also das, was wirklich grundsätzlich lebensnotwendig ist. Und von diesen Dingen spricht Seneca vermutlich auch, wenn er meint, dass die Natur sie reichlich anbietet. Unterschlupf vor Unwettern und genügend zu essen hätte – zumindest bei damaligen Bevölkerungszahlen – vermutlich tatsächlich jeder gefunden.
In der Antike hätte etwas Materielles wie ein Fernseher noch als Luxus gegolten. Heute sind Fernseher und Radio per Gesetz als unerlässlich definiert, um Schuldnern zu ermöglichen, sich politisch zu informieren und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Bedeutung des Begriffs „Leben“ hat sich also deutlich verändert und mit ihr auch die Dinge, die als lebensnotwendig angesehen werden. Zum Leben gehören heute auch der Austausch mit anderen Menschen und die Integration in die Gesellschaft. Ein moderner Mensch soll seine Bürgerpflichten erfüllen können. Er soll informierte Entscheidungen treffen können und die Möglichkeit haben, aus seinen Schulden herauszukommen. Deshalb werden heute auch Fernseher, Radio und auch der Computer, der heute zum Beispiel die Arbeitssuche stark erleichtert und fast erst möglich macht, rechtlich zugesichert. Bei den Römern gab es so etwas nicht. Leben war damals hauptsächlich „nicht tot sein“. Unsere Gesetze zeigen: Heute ist das anders. Die bloße Existenz eines Menschen ist noch kein Leben, sondern ein Grundbedarf an Lebenswichtigem soll gedeckt sein, auch wenn Vieles davon damals als Luxus gegolten hätte.
Tim Kneisel, gA Latein Thiele, Abi 2013