Home Berichte 2012 Januar - Juli

Vortrag von Prof. Sonar:
„Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin“

17.07.2012: Zu früher Stunde lauschten am 12.07.2012 Schüler der Qualifikationsphase aus den Kursen Latein, Griechisch, Philosophie, Werte und Normen, Evangelische und Katholische Religion gebannt den Ausführungen von Herrn Prof. Sonar über die historischen Hintergründe, die Denkvoraussetzungen und die Argumentationsweise der Gottesbeweise des Thomas von Aquin. Insbesondere wies er auf die Ursprünge dieses Denkens in der Philosophie des Aristoteles hin und zeigte, dass Spuren dieses Denkens noch heute zu finden sind und dass die Fragestellung heute keineswegs obsolet geworden ist. Durch seinen lebendigen Vortragsstil und seine Einbeziehung der Zuhörer schaffte es Herr Prof. Sonar, sein Publikum zu fesseln.

S. Thiele

Zusammenfassung des Vortrags

Am 12.07.2012 hielt der Mathematiker Prof. Thomas Sonar von der TU Braunschweig einen Vortrag über die Gottesbeweise des Thomas von Aquin, eines Kirchenlehrers des 13. Jahrhunderts. Zuhörer in der Aula des Haupthauses waren die Schüler von einigen Religions-, Werte-und-Normen-, Philosophie- und Lateinkursen des 11. Jahrgangs.

Sonar begann seinen Vortrag mit einer Biografie der Jugend- und Studienzeit des Thomas von Aquin. Dieser war der siebte Sohn eines italienischen Landgrafen. Obwohl ein siebter Sohn damals gern als Zeichen des Pechs gesehen wurde, bekam Thomas eine ordentliche Bildung und sollte später das Amt des Abtes eines Benediktinerklosters von seinem Onkel übernehmen.

Er schloss sich jedoch dem Bettelorden der Dominikaner an und wurde Schüler des Albertus Magnus. Jener war der erste, der ins Arabische übersetzte griechische Klassiker der aristotelischen Philosophie ins Lateinische übersetzte und so für die Gelehrten des damaligen Europa zugänglich machte. Damit eckten er und später auch Thomas bei der Kirchenleitung im Vatikan an, denn Aristoteles war kein Christ und somit im Vatikan geächtet. Trotzdem erfreute er sich steigender Beliebtheit unter Gelehrten insbesondere in Frankreich. 1230 brachte Averroes sein Standardwerk der Kommentare zu Aristoteles heraus. Schon im Jahr darauf wurde vom Vatikan aber verboten, Aristoteles‘ Physik zu lehren. Diese ging davon aus, dass es zwei Arten von Bewegungen gebe, nämlich geradlinige und kreisförmige. Da die kreisförmige aber in der Natur nicht vorkommt, galt sie bei Aristoteles als göttlich. Der Versuch eines Verbotes scheiterte – Aristoteles wurde weiter gelehrt, auch nach weiteren Verboten der nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Die aristotelische Physik lieferte eine wichtige Grundlage für die Gottesbeweise, die Thomas von Aquin in seiner Summa contra gentiles anstellte. Diese Beweise waren so geführt und formuliert, dass sie auch und gerade von Heiden verstanden werden sollten, denn Christen brauchte man von der Existenz Gottes ja nicht zu überzeugen. Heiden hingegen wollte man mit Interpretationen und Weiterführungen von Gedanken eines heidnischen Philosophen zum Glauben bewegen, da man meinte, solche Ausführungen seien für sie besser zu verstehen als die Gottesvorstellungen aus der Bibel.

Hierfür entwickelte Thomas von Aquin den kosmologischen Gottesbeweis, der für seine Zeit ein neuer Gedanke war. Vorher wurde ontologisch argumentiert, wie bei Anselm von Canterbury im 11. Jahrhundert, der sagte, dass Gott allmächtig sei, Allmacht aber nur unter der Voraussetzung von Existenz funktioniert – also müsse Gott existieren. Diesen Beweis sah Thomas von Aquin kritisch, weswegen er versuchte, Gott kosmologisch zu beweisen. Dazu machte er mehrere Versuche, unter anderem:

  • Gott sei die Schlussfolgerung aus der aristotelischen Metaphysik.

  • Gott werde benötigt, weil Bewegung nur aufgrund anderer Bewegung entstehen könne. So würden in der Natur Dinge durch andere Dinge bewegt, Lebewesen hingegen durch ihre Seele. Setzt man also diese Reihe der Bewegungsanstöße fort, so gelangt man entweder ins Unendliche – was laut Thomas von Aquin nicht möglich ist – oder es muss irgendwo einen unbewegten Beweger geben, der sämtliche Bewegung initiiert. Dieser sei Gott.

  • Die Naturdinge beinhalteten eine Zielstrebigkeit. Jeder natürliche Vorgang habe einen Anfang und ein Ziel. Gott sei hierbei eine leitende Figur, die die Ursache dieser Zielstrebigkeit sei und einen Zweck in die Naturdinge gebe. Dies ist allerdings kein kosmologischer Beweis mehr, denn dieser beschreibt die Welt von ihrer Beschaffenheit aus. Stattdessen handelt es sich hierbei um einen teleologischen Beweis, also um einen, der die Welt als planvoll gestaltet ansieht und daraus den Gestalter ableitet.

Thomas argumentiert für Gottes Existenz also nicht wie vorher über irgendwelche biblischen Aussagen, die aus nichtchristlicher Sicht einfach nur Annahmen sind, denn diese wären den Heiden nicht vermittelbar. Stattdessen beschreibt er Vorgänge in der Natur oder im Menschen, die man sich damals noch nicht erklären konnte, und setzt Gott als deren Ursache fest. Ein solcher Gottesbeweis kommt seinem Ziel näher, weil auch in heidnischen Religionen meist göttliche Wesen existieren, die solche Funktionen übernehmen – siehe altgriechische, römische oder auch germanische Mythologie.

Trotz allem stellt Sonar am Ende fest, dass zwar Thomas von Aquins Gedankengänge logisch völlig fehlerlos seien, aber seine Prämissen, also die Voraussetzungen zu Beginn des Gedankens, falsch. So funktionierten auch seine Beweise nach heutigem Erkenntnisstand nicht (teilweise stünden sie sogar akzeptierten physikalischen Grundsätzen wie der Newtonschen Mechanik entgegen), aber sie seien für die damalige Zeit sehr beachtlich.

Gerne hätte man Prof. Sonar länger zugehört, zum Beispiel um weitere Einzelheiten über die philosophischen Theorien des Aristoteles zu erfahren, da diese die wesentlichen Grundlagen der Argumentation des Thomas von Aquin darstellen. Besonderer Dank gebührt Prof. Sonar dafür, dass er ein solch schwieriges, trocken scheinendes mathematisch-religionsphilosophisches Thema so informativ und attraktiv aufbereitet hat, wie der lange Applaus des Publikums bewies.

Benjamin Diethelm

 

 

    Fotos: S. Thiele

 

 

zurückblättern | Seitenanfang | Sitemap | Impressum