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Berichte
2015
Januar - Juli
Stolperstein für Heinrich Jasper
Jan Ohrstedt
Text: Jan Ohrstedt, Folien: Henrik Geiger
Guten Abend meine Damen und Herren,
ich möchte Sie auch noch einmal recht herzlich zu unserem Abendprogramm der Stolpersteinverlegung für Heinrich Jasper begrüßen und freue mich, dass sie alle gekommen sind.
Schon einmal im Voraus, falls diese Präsentation ein Erfolg wird, sollten Sie sich meinen Namen gut merken. Ich heiße Jan Ohrstedt und nehme später gerne Stellenangebote an. Falls ich aber diese Präsentation vermasseln sollte, können Sie ihn natürlich getrost schnell vergessen.
Wir sind heute hier, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken, den Opfern eines Regimes, welches Dinge getan hat, die sich viele von uns kaum vorstellen können.
Aber auch in diesen dunklen Zeiten gab es Menschen, die Widerstand geleistet haben, die aufgrund ihrer Überzeugung ihr Leben riskiert und somit vielen unschuldigen Menschen das Leben gerettet haben. Heinrich Jasper war einer davon… Ich möchte Ihnen jetzt gerne seine Biographie näher bringen, damit wir vielleicht verstehen können, wie er und andere Menschen im Nationalsozialismus gelebt und gelitten haben.
Zuerst möchte ich Ihnen meine Gliederung vorstellen. Ich habe die Biographie nach wichtigen Eckpunkten seines Lebens geordnet. Ich werde zuerst kurz auf seine Kindheit und seine Zeit an unserer Schule eingehen. Dann möchte ich Ihnen etwas über seinen politischen Werdegang bis 1932 erzählen und zuletzt auf seine Existenz im Nationalsozialismus eingehen.
Alles beginnt damit, dass Heinrich Jasper am 21. August 1875 in Dingelbe bei Hildesheim geboren wird. Er zieht hier nach Braunschweig, wo er das Wilhelm-Gymnasium besucht. In seiner Abiturklasse waren 27 Schüler und seine Stärken lagen in Mathematik und Sprachen.
Er war schon zu dieser Zeit sehr sozial engagiert, was man auch an seinen Zensuren in Fleiß und Betragen sieht.
Nachdem er 1894 sein Abitur gemacht hatte, begann er sein Jurastudium.
Stellen sie sich vor, er stand hier, wo ich jetzt stehe… In dieser Aula, in diesem Gebäude. Er hatte Unterricht in denselben Räumen, die wir heute immer noch benutzen. Hier hat er sein Abiturzeugnis bekommen, seinen Schlüssel zur Welt.
Am 3. Dezember tritt er dann der SPD bei, der Partei, der er treu blieb, bis die Nationalsozialisten auch sie unterdrücken. Er war nicht nur der erste sozialdemokratische Landtagsabgeordnete in Braunschweig, sondern er war auch Reichstagsmitglied.
Er war einer der wenigen Menschen, die sich offen gegen den 1914 entbrannten Krieg aussprachen, bis er dann 1915 eingezogen wurde und bis Kriegsende Wehrdienst leisten musste.
Als er aus dem Krieg zurückkehrt, kehrt er auch in die Politik zurück, und muss mit ansehen, wie die Nationalsozialisten immer weiter an Macht gewinnen. Als dann auch noch Klagges Polizeiminister in Braunschweig wird, wird Terror alltäglich.
Trotz allem hält er an gewaltlosen Demonstrationen und Protesten fest, an seiner Überzeugung „Gewalt ist keine Lösung“!
Am 18. März 1933 wird der Demokratiekämpfer von den Nationalsozialisten in Schutzhaft genommen!
Heinrich Jasper war im Volksfreundhaus schwersten Misshandlungen ausgesetzt, wie man sie sich kaum vorstellen kann... Trotzdem hat er weiter an seinem Mandat, seiner Überzeugung, Gewalt sei der falsche Weg festgehalten... Das ist es, was ihn zu einem echten Helden macht.
Um ihn mundtot zu machen, wird er ins Konzentrationslager Dachau deportiert
Es ist eine Zeit, gekennzeichnet von: Gewalt…, Misshandlungen…, Folter…, Angst…, Terror…, Vernichtung…, und Hass!
Nachdem er 1939 aus dem KZ Dachau entlassen wird, kehrt Heinrich Jasper zurück nach Braunschweig, bis er 1944 bei der Aktion „Gewitter“ erneut inhaftiert und in das KZ Bergen-Belsen deportiert wird.
Am 19. Februar 1945 ist der Kämpfer der Demokratie tot, vernichtet von den Nationalsozialisten.
Sie fragen sich bestimmt schon von Anfang an, wieso hier vorne ein 15-Jähriger steht und Ihnen von einer Zeit und einer Person erzählt, die er nicht einmal erlebt hat...
Sie fragen sich, warum das nicht jemand von Ihnen aus dem Publikum macht, jemand, der sich damit Jahre seines Lebens auseinandergesetzt hat und Ihnen wahrscheinlich viel besser und viel genauer die Geschichte dieses Helden erzählen kann…
Ich möchte probieren, Ihnen das zu erklären, indem ich Ihnen erzähle, wie ich dazu gekommen bin, hier heute zu stehen und diese Präsentation zu halten.
Als ich vor einem ¾ Jahr mein Betriebspraktikum bei der SPD im Bezirk Braunschweig begonnen habe, sagte mir der Name Heinrich Jasper eigentlich noch gar nichts…
Mein Kunstlehrer fragte mich einen Monat später, ob ich denn Interesse hätte, eine Präsentation für eine weitere Stolpersteinverlegung in unserer Schule zu machen. Ich habe zugestimmt und nun stehe ich hier und erzähle Ihnen etwas über diesen heldenhaften Verfechter der Menschlichkeit.
Um die Frage zu beantworten, warum ich hier stehe, kann ich Ihnen nur sagen, wieso ich mich bereit erklärt habe, dies hier heute zu machen:
Ich glaube, dass meine Generation lernen muss... Wir müssen lernen, aus den Fehlern der Vergangenheit, welche so viele Unschuldige das Leben gekostet haben... Uns können nur noch Überbleibsel an diese Zeiten erinnern…
Wir waren nicht dabei, als Hitler an die Macht kam, oder als der Holocaust stattgefunden hat. Aber Kunstprojekte wie das der Stolpersteine von Gunter Demnig können uns einen Eindruck davon vermitteln, wofür Menschen wie Heinrich Jasper gekämpft haben und wie wichtig es ist, weiter für diese Rechte zu kämpfen!
Vielleicht kann das diese Frage einigermaßen beantworten.
Ich hab mich mal gefragt, was ein Freiheitskämpfer wie Heinrich Jasper zu unserer Zeit sagen würde? Würde er sagen, wir leben in einem goldenen Zeitalter? Würde er schockiert sein über die Ukraine-Krise, darüber, dass wir Menschen es immer noch nicht geschafft haben, miteinander Frieden zu schließen? Was würde er über die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer sagen?
Natürlich kann ich diese Frage nicht sicher beantworten… Aber ich kann vermuten was er sagen würde…
Ich glaube er würde enttäuscht sein… Enttäuscht sein darüber, dass wir es nach der gesamten Zeit immer noch nicht geschafft haben, in Frieden miteinander zu leben…
Aber ich kann mir auch gut vorstellen, wie er stolz darauf wäre, was wir alles erreicht haben… Wir haben eine stabile Demokratie seit mehr als 70 Jahren und wir haben es geschafft, dass Menschenrechte, für die er gekämpft hat, heute für uns alltäglich sind.
Darauf können wir stolz sein, aber wir sollten uns nie zu sicher schätzen. Denn jeder hier in diesem Raum weiß, wie schnell solche „Grundsätze“ verloren gehen können! Nämlich dann, wenn wir Menschen uns selbst einmal mehr über andere stellen, nur weil es für uns einfacher ist!
Aber ich glaube, egal was er über unsere Zeit sagen würde: Er würde versuchen, diese Welt zu verbessern! Und nicht um seinetwillen! Sondern um den Willen aller Menschen!
Ich hoffe, ich konnte Ihnen heute Abend einen Eindruck darüber vermitteln, was dieser Mann für mich bedeutet. So habe ich ihn kennengelernt und ich bin der Meinung, dass sich jeder Mensch ein Beispiel an soviel Ehre, Tapferkeit und Mut nehmen sollte!
Danke sehr.
Dr. Heinrich Jasper Gedenkstunde am 29.06.2015
Stolperstein für Heinrich Jasper