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2018
Januar - Juli
04.03.2018: Am Mittwoch, den 28.02.2018 hielt die Dozentin Dr. Meike Rühl von der Universität Osnabrück in der Aula des Wilhelm-Gymnasiums einen Vortrag über Senecas Äußerungen zu Frei- und Arbeitszeit. Ihre Ausführungen über die Entwicklung des Gegensatzes von freier Muße auf der einen und politischer Tätigkeit auf der anderen Seite im Wechsel von Republik zu Prinzipat zogen zahlreiche Oberstufenschüler mehrerer Braunschweiger Schulen sowie weitere Interessierte an.
Dr. Rühl ging in ihrem Vortrag auf verschiedene Darstellungen der Zeit im Allgemeinen und in der Antike im Besonderen ein. So beruht das Prinzip Zeit auf gesellschaftlichen Konventionen und ermöglicht ihrem Urheber eine starke Machtausübung. Ganz wichtig für die Philosophie ist die Einteilung der Zeit in otium und negotium, also müßige, private Freizeit und geschäftige, politische Arbeit. Die Beziehung eines Römers zu diesen beiden Begriffen hängt von seiner Schicht und Stellung ab: Während einfache Leute hart für ihr täglich Brot arbeiten müssen, können sich Patrizier und reiche Ritter frei aussuchen, ob sie arbeiten oder lieber die Füße hochlegen und literarisch tätig sein wollen. Zu Zeiten der Republik war das negotium ungleich prestigeträchtiger, konnten doch hier durch große Staatskunst Ruhm und Ansehen erlangt werden. In der Kaiserzeit hingegen war der Wert des negotium vom jeweiligen Princeps abhängig. So agierte man als aktiver Politiker entweder unter Aufgabe der eigenen Freiheit im Sinne des Princeps oder wurde ins unfreiwillige otium versetzt – auf die eine oder andere Weise.
Im weiteren Vortrag ging Dr. Rühl auch auf Senecas persönliche Einstellung zu otium und negotium ein. Der hatte als leitender Berater Neros durchaus von der Luft am Gipfel politischer Macht kosten können und war mit negotium also bestens vertraut. Als auch ihn die Gunst des Princeps verließ und er sich ins stille otium zurückziehen musste, versuchte er dies herunterzuspielen. Dabei erörterte bereits er, ob es dazu günstiger sei, sich eine „Auszeit“ zur „Selbstfindung“ zu gönnen oder ob man nicht doch lieber „aus gesundheitlichen Gründen kürzer trete“.
Der mit dem KC Latein abgestimmte Vortrag passte wunderbar in die Beschäftigung mit Senecas Lehre im Rahmen des Lateinunterrichts und erweiterte den Horizont für die Umstände, unter denen der Philosoph Seneca seine Schriften verfasste. Immerhin predigte er den Verzicht auf äußere Güter und unnötigen Luxus, lebte gleichzeitig jedoch in einer ansehnlichen Villa am Golf von Neapel und hatte die Zügel der Macht in Händen gehalten. Der Vortrag half, diese Verhältnisse besser verstehen und einordnen zu können. Zusammenhänge zu historischen Gegebenheiten wurden durch den Vortrag ebenso klar wie Parallelen und Unterschiede zu anderen Autoren wie Cicero und Tacitus. Dabei war der Vortrag schlüssig, verständlich und am Vorwissen von Schülern orientiert sowie lebendig und angenehm gehalten. Das Publikum zollte diesem sehr schönen Vortrag großen Beifall.
Tobias Wallner
Fachgruppe Alte Sprachen
Vorträge